Reise in eine ungekannte Welt

Vor einigen Jahren lernte ich durch meine Arbeit als Fotograf Benjamin Pappenheim kennen, einen Enkel des letzten Leiters der jüdischen Schule Halberstadt Hascharath Zwi, Jakob Lundner. Benjamin Pappenheim ist der Sohn der einzigen Überlebenden der Halbers…

Vor einigen Jahren lernte ich durch meine Arbeit als Fotograf Benjamin Pappenheim kennen, einen Enkel des letzten Leiters der jüdischen Schule Halberstadt Hascharath Zwi, Jakob Lundner. Benjamin Pappenheim ist der Sohn der einzigen Überlebenden der Halberstädter Familie Lundner, Beate Pappenheim. Er lebt in Jerusalem, ist religiös und selbst Lehrer. 2015 begegneten wir uns in Israel wieder, und da lud Benjamin Pappenheim mich, der keiner Religion angehört, ein zu einer „Reise in eine ungekannte Welt“, in seine Welt der orthodoxen Juden. Neugierig nahm ich die Einladung an, und im Sommer 2016 traten wir unsere gemeinsame Reise an.

Es ging erst in den Norden von Israel und dann nach Jerusalem. Die langen Autofahrten boten Zeit für Gespräche, und diese waren für mich ebenso Reisen in eine ungekannte Welt wie die realen Fahrten. Benjamin Pappenheim war für alle – auch unbedarften – Fragen offen und machte es mir durch seine lebendige und lebensfrohe Art möglich, Zugang zu der Welt des orthodoxen Judentums zu finden.

Eine eindrückliche Erfahrung war der Besuch der Heiligen Stätten der orthodoxen Juden im Norden. Für Benjamin Pappenheim war es eine große Freude, diese wieder einmal besuchen und dort beten zu können. Und ich erlebte Unerwartetes: Eine kleine Synagoge an einer Tankstelle in Tiberias am See Genezareth, aber wir trafen den Rabbiner nicht an. In den Galiläischen Bergen Safed, die Stadt der jüdischen Mystik, der Kabbala; Meron mit der Grabstätte des Schimon ben Jochai, die seit dem Mittelalter ein Ziel für jüdische Pilger ist, und Peki’in, in der Vergangenheit ein Zentrum jüdischer Gelehrsamkeit und heute ein von Drusen bewohnter Ort ohne jüdische Gemeinde. Dort trafen wir eine alte Frau, die erzählte die einzige Jüdin im Ort zu sein. Sie zeigte uns einen kleinen Synagogenraum mit einem Museum.

In Jerusalem lernte ich mit Benjamin Pappenheim Me’a Sche’arim kennen, das Stadtviertel der vielfältigen jüdisch-orthodoxen Welt. Hier leben Chassiden und misnagdische Juden, die sich wiederum an die traditionelle Auslegung der Tora und der Halacha halten. In Me’a Sche’arim gilt die strikte Einhaltung der Schabbatruhe, der jüdischen Feiertage, der Speisegebote.

Ebenfalls in Jerusalem war ich zu einer Hochzeit in Benjamin Pappenheims Familie eingeladen und durfte dort auch fotografieren – natürlich nur im „Männerbereich“. Männer und Frauen feiern getrennt, zusammen kommen alle nur zur eigentlichen Trauungszeremonie. Die Hochzeitsfeier war für mich der Höhepunkt der „Reise in eine ungekannte Welt“.

Benjamin Pappenheim bin ich zu tiefem Dank verpflichtet. Ohne ihn wären für mich all diese Orte, diese ungekannte Welt, weder im übertragenen noch im eigentlichen Wortsinn zugänglich gewesen.

Ulrich Schrader | Fotograf

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